Martina Gelsinger - Pressetext Taufkapelle Sierning

Pfarrkirche Hl. Stephanus Sierning

Neugestaltung der Taufkapelle im nördlichen Seitenschiff der Kirche 



Raumkonzept und Ausstattung: Lucy.D (Barbara Ambrosz/Karin Santorso)


Künstlerische Arbeit Taufort und Beichtort, Sierninger Tauftropfen: Johannes Angerbauer-Goldhoff


Die Pfarrkirche Sierning ist dem Heiligen Stephanus geweiht und in ihrer baulichen Anlage eine gotische dreischiffige Staffelkirche.


2012 wurde der westliche Bereich des südlichen Seitenschiffes nach einem Konzept des Designstudios Lucy.D (Barbara Ambrosz/Karin Santorso) zu einem Gedenkort für Verstorbene aus der Pfarre und stillgeborene Kinder umgestaltet. Der Taufstein, der die Jahreszahl 1288 trägt, wurde ins nördliche Seitenschiff verlegt. Rund zehn Jahre später, im Jahr 2021, erhielt Lucy.D zusammen mit dem Steyrer Künstler Johannes Angerbauer-Goldhoff den Auftrag, diesen Bereich als Taufkapelle und Beichtort neu zu gestalten.


Das Projekt erfolgte mit fachlicher Begleitung des Kunstreferates/Diözesankonservatorates der Diözese Linz. 

Am Fest der Taufe des Herrn, am Sonntag, den 9.1.2022, hat Pfarrer Karl Sperker den neuen Ort gesegnet. 

Das Zentrum der Taufkapelle bildet der frühgotische Taufstein aus Adneter Marmor mit dem Bronzedeckel (Peter Dimmel, 1969). Er definiert die räumliche Mitte, um die drei neuen Bänke aus gekalkter Eiche positioniert sind. 

Sie bieten gleichermaßen Platz für Andacht in Richtung des Beichtortes, in Richtung der neugehängten Kreuzigungsgruppe an der Westwand des Seitenschiffs und in Richtung der Nordwand. 

Der Osterkerzenständer neben dem Taufstein (Ludwig Linzinger, 1905) wird aus dem Bestand weiterverwenden ebenso wie der Weihwasserkessel. 


Für die Neugestaltung wurde der 1969 errichtete Bankblock entfernt, der bestehende Beichtort von der Nordwand an die Ostwand verlagert und neugestaltet sowie die Kreuzigungsgruppe von der Ostwand an die Westwand verlagert. Die Gestaltung beinhaltet die Objekte für das Sakrament der Taufe, einen Ort für die heiligen drei Öle und den Ort der Aussprache für das Sakrament der Beichte neu zu entwerfen. Weiters ist es Aufgabe die neuen Objekte subtil in das Gesamtensemble der Kirche einzufügen. Die räumliche Anordnung folgt der klaren Struktur des Seitenschiffes und damit werden die Sichtachsen in und aus dem Seitenschiff betont. Die neuen Ausstattungselemente aus gekalkten Eichenholz nehmen Bezug auf das Kirchengestühl aus 1969 und führen das Gestaltungskonzept in Material und Oberflächenwirkung des Gedenkortes weiter. 

 

Sierninger Tauftropfen


Die ornamentalen Farbglasfenster an der Nordwand stammen aus den 1950er Jahren und sind den drei göttlichen Tugenden Glaube, Hoffnung, Liebe gewidmet. Unter dem „Glaubensfenster“ wird zwischen zwei Wanddiensten das Sakrament der Taufe ins Zentrum gestellt – in einer Linie zum Taufstein im Raum. 

Eine großformatige runde Fotoarbeit von Johannes Angerbauer an der Wand zeigt die Detailaufnahme eines Wassertropfens, der ausgehend vom Weihwasserbehälter einen Wasserfleck am Boden hinterlassen hat. Tropfen und Schatten des Weihwasserbehälters erzeugen im spannungsvollen Kontrast ein abstraktes Bild aus hellen und dunklen Stellen. Der Künstler bezeichnet die Aufnahme auch als „Spurensicherung“. 

 

Darunter sind in einem hinterleuchteten „Schrein“ aus Glas und gekalkter Eiche die Heiligen Öle sichtbar. Die Ölgefäße sind Unikate aus Porzellan und wurden von Beate Seckauer in ihrer Porzellanmanufaktur „Neuzeughammer“ gefertigt. Darin befinden sich das Krankensalbungsöl, das Katechumenenöl für die Erwachsenentaufe und das Chrisamöl, das für die Taufe, die Firmung und bei einer Priesterweihe verwendet wird. Links und rechts davon befinden sich zwei mit Loden bespannte Tafeln, auf denen die Fotos der Täuflinge des jeweiligen Jahres zu sehen sind.

 

Das Bild des Weihwassertropfens an der Wand wurde als „Unikat Edition“ im kleinen Format geschaffen. Es liegt bei der Taufe im Taufbecken und wird dabei mit dem geweihten Wasser mit den der Täufling getauft wird benetzt. Als „Sierninger Tauftropfen“ wird es in einer Schatulle an die Tauffamilien weitergegeben. Somit stehen der kleine und der große Weihwassertropfen in unsichtbarer Verbindung.

 

Zwei Grundfunktionen und Sakramente im neugestalteten Seitenschiff


Das nördliche Seitenschiff birgt zwei Grundfunktionen und Sakramente: die Taufe und die Beichte. Die Taufe wird auch als Quellsakrament, als erstes Sakramente bezeichnet. Aus diesem Grund wird sie auch als Taufkapelle (und nicht als Beichtkapelle) bezeichnet. 

 

Der Beichtort als eigener begehbarer Raum ist raumprägend losgelöst von der Ostwand positioniert. Die Vorderseite ist mit gekalkten Eichenbalken verkleidet. Mit der Schauseite schließt er den Raumteil nach Osten hin ab. Einer der Balken ist höher konzipiert und ist Basis für ein zweites Werk von Johannes Angerbauer. Im ersten Jahr ist seine Bodengold Installation aus blattvergoldeten Paneelen auf dem Boden des Ausspracheraum ausgelegt und wird Spuren aufnehmen. Im darauffolgenden Jahr werden die Paneele als sichtbares Zeichen dieses Sakramentes auf den höheren Balken montiert.  Aus der „Bodengold-Ebene“ wird im Prozess durch die Spuren der Menschen, die den Beichtort betreten eine „Bodengold-Stele“. Aus einem verbleibenden Paneel werden Kruzifixe geschaffen.

Johannes Angerbauer künstlerische Arbeiten kreisen seit nahezu vier Jahrzehnten um den „Goldbegriff“. Seit 1996 setzt er sich intensiv mit dessen Erweiterung auseinander. So wird mit dem positiv besetzen Begriff des „Social Gold“ das Gold entmaterialisiert und stellt den Menschen in den Vordergrund. Gold wird, so der Künstler, zu Social Gold und zu HUMANgold.

 

Boden-Gold: Neue Aufrichtung durch Beichte und Versöhnung


Pfarrer Karl Sperker interpretiert die künstlerische Arbeit am Beichtort wie folgt:


"Die vergoldeten Platten am Boden widerspiegeln den Menschen in seiner Würde. Auf diesen Platten hinterlässt er bei der Beichte/Aussprache seine Spur, belastet und gebeugt. Doch bleibt es nicht dabei. Da geht es weiter. Gott richtet ihn auf in der Versöhnungszusage. Darum werden die verkratzten Goldplatten in einem Jahr vom Boden genommen und auf der langen Planke aufgerichtet.

Aus sinnbildliche Weise wird dabei das Sakrament der Versöhnung visuell erfahrbar. Es macht die Zusage sichtbar: Der Mensch mit seinem Versagen und mit seinen Kratzern wird durch das Erbarmen Gottes neu aufgerichtet und ausgerichtet. Und steht. Das geht über das Normale hinaus."

 

 

Biografien: 

 

Das Studio Lucy.D wurde von den Designerinnen Barbara Ambrosz und Karin Santorso 2003 in Wien gegründet und seit 2016 um ein Studio in Steyr erweitert. Beide studierten Industrial Design an der Universität für Angewandte Kunst in Wien, wo Ambrosz seit 2008 auch lehrt. Den beiden Designerinnen geht es in ihren Arbeiten um einen klaren Zugang zu den Dingen. So entstehen Produkte in den Kategorien Produktdesign, Architektur und Corporate Design. Die grundsätzliche Herangehensweise von Lucy.D ist es, die Poesie im Alltäglichen zu ergründen. Das ist der Ausgangspunkt für die Entwicklung von inspirierenden wie praktischen Produkten. Bei ihren Gestaltungskonzepten stimmen Form, Funktion und Technik intelligent überein. Ambrosz und Santorso arbeiten interdisziplinär und sind mit verschiedensten Technologien vom Handwerk bis zu Roboter gesteuerten Prozessen vertraut. Sie planen Konzepte mit Feingefühl für die Marke und für das Material und begleiten in der Umsetzung und Produktion bis zum fertigen Produkt. Zu den Kunden von Lucy.D gehören u.v. Alessi, Lobmeyr, Augarten, Wiesner-Hager und Wombats.


Johannes Angerbauer wurde 1958 in Steyr geboren. Eine frühe Prägung – auch in Bezug auf die Beziehung zum Werkstoff Gold - erhielt er im Goldschmiedeatelier seiner Eltern Prof. Johann und Gertrude Angerbauer. Sakrale Kleinplastiken (u.a. Monstranzen) und Schmuck prägten diese frühe Werkphase. Von 1977-1982 studierte Angerbauer Metallplastik und Bildhauerei an der Kunstuniversität Linz. Nach der kurzfristigen Übernahme des Ateliers aufgrund des frühen Todes seiner Eltern wandte er sich ab 1984 eigenen künstlerischen Arbeiten im Kontext einer von ihm so bezeichneten „Prozessorientierten Konzeptkunst“ zu. Über seine lebenslange Auseinandersetzung mit dem Material und Begriff „Gold“ transformierte sich sein Begriff des „Socialgold“  zum „HUMANgold“. 

Das Werk von Johannes Angerbauer ist durch zahlreiche nationale und internationale Rauminstallationen, Aktionen und Ausstellungen bekannt. 

 

Die Neugestaltung der Taufkapelle erfolgte unter der Leitung von Pfarrer Ing. Mag. Karl Sperker und PGR-Obmann Alois Dambachmayr


Ausführende Firmen:


Malerei: Karl Rosatzin

Tischler: Franz Heindler 

Elektro:  Harald Pichler

Raumausstatter/Tapezierer: Dagmar Singer, Singer Wohnen


Fachstellen: 


Abteilung Kirchliches Bauen der Diözese Linz

Kunstreferat/Diözesankonservatorat

Bundesdenkmalamt, Landeskonservatorat für OÖ 

 

 

Martina Gelsinger, Kunstreferat/Diözesankonservatorat der Diözese Linz

 

 

Begleit Text zum „Sierninger Tauftropfen“


Lieber Täufling!


Die runde Scheibe aus Edelstahl zeigt die vergrößerte Fotografie eines Wassertropfens, der vom Weihwasserkessel unserer Kirche auf den Boden gefallen ist und dort Spuren hinterlassen hat. Diese Spuren haben den Steyrer Künstler Johannes Angerbauer-Goldhoff dazu inspiriert, den „Sierninger Tauftropfen“ zu schaffen. 

Der Tropfen und der Schatten des Behälters mit dem geweihten Wasser sind dabei zu einem Bild geworden, in dem helle und dunkle Stellen einander überlagern. 

Dieser „Tauftropfen“ hängt zentral über den Heiligen Ölen und den Bildern der Täuflinge an der Wand der Sakramentenkapelle.

Die Scheibe in der Schatulle ist eine kleine Form dieses Tauftropfens. Bei Deiner Taufe ist sie im Taufbecken gelegen. Es besteht aus rotem Adneter Marmor und trägt die Jahreszahl 1288. Seit vielen Jahrhunderten werden hier durch das Sakrament der Taufe Menschen in die Gemeinschaft der Christinnen und Christen aufgenommen. 

Das Wasser, das über deinen Kopf gegossen wurde, hat auch hier Spuren hinterlassen und ihn einzigartig gemacht, so wie Du einzigartig bist.

Möge Dich der Tauftropfen immer an Deine Taufe erinnern. In der Taufe tritt der Mensch aus dem Schatten ins Licht Jesu Christi – ein Geschenk. Im Zeichen des Wassers wird das Alte abgewaschen und das neue Leben beginnt. Seither gilt für Dich: Du bist geliebtes Kind Gottes. Die runde Form hat weder Anfang noch Ende und steht für Unendlichkeit und für die Zusage: Aus der Liebe Gottes fällst Du nicht heraus. Mag es in Deinem Leben auch Schatten geben, Christus das Licht wird nicht von Dir weichen.

 

 

Der QR- Code gibt mit einem Video, Fotos und erläuternden Texten Einblick in die Entstehung des Sierninger Tauftropfen.  Zur Projektseite

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